Seltsam wie das Leben einem selbst gehört, wenn man es erfunden hat, so schreibt es Djuna Barnes in ihrem Buch Nachtgewächs. Dieses Zitat beschäftigt mich seit ich es gelesen habe. Bei Instagram ist das nicht anders und doch fühlt es sich häufig anders an. Ist alles Lüge, was wir sehen? Alles Inszeniert? Viele fühlen sich betrogen. Aber warum? Jetzt frage ich Dich, wenn Du einen Film schaust und am Ende weinst, dann weißt Du ja auch, dass die Geschichte meist erfunden ist? Warum weinst Du dann trotzdem? Der Mensch liebt Geschichten, und wenn sie gut sind, dann ist ihm egal ob sie wahr sind oder erfunden. Es sind einfach gute Geschichten. Gute Geschichten sind immer gut, ob wahr oder nicht.
Vorhang auf für Instagram und seine Protagonisten
Es ist so wie bei jedem Film, ein gutes Drehbuch, passende Requisiten, gutes MakeUp, perfekte Beleuchtung und ein wenig Product Placement. Dass wir die meisten Schauspieler auf der Strasse nicht wieder erkennen würden, hat Dich das jemals gestört? Warum stören sich so viele daran, dass Instagram aus vielen guten Geschichten besteht. Und doch flackern immer wieder Diskussionen auf zum Thema Filter, falschen Altersangaben, ausgebesserten Falten, geliehener Kleidung, retuschierten Hintergründen, gefakten Urlaubsdestinationen, einem Englisch, das eigentlich nur Google Translater spricht, Körper ,die so gar nicht existieren. Follower als Massstab der Beliebtheit. Wir fühlen uns betrogen und dieser Betrug fasziniert.
Und manchmal steckt ganz viel echtes Leben drinnen
Dazu kommen natürlich die Accounts, die einen tatsächlich tief in das Leben schauen lassen. Wir begleiten Menschen, die wir gar nicht kennen, zum Arzt, wir begleiten sie oder Angehörige in ihren letzten Tagen, sind dabei, wenn sie Kinder bekommen, heiraten und sich trennen. Da steckt oft ganz viel echtes Leben drinnen. Da drängt sich die Frage auf, wie gehen wir damit um, wenn sich Illusion mit echtem Leben vermischt? Wenn der Tod der Mutter den Instagram Feed bestimmt und parallel dazu verkauft ein Star ihre Slim Pants? Instagram wechselt das Genre ohne uns zu warnen. In einer Sekunde betreten wir das Leben einer Kunstfigur und in der anderen sind wir mitten drinnen in einer Art Dokumentation. Zum einen werden wir betrogen und zum anderen mit Alltag überschüttet. Und ich muss persönlich dazu anmerken, dass mir das manchmal zu viel Alltag ist. Persönlich bevorzuge ich die Illusion. Body Positivity ist so ein Fall, aber zu viel davon ist dann auch nicht wirklich das, was wir denn wollen.
Neid-Maschiene Instagram?
Warum wird Instagram zunehmend zur Neid-Maschine? Wisst ihr was, die einzigen Betrogenen in dem ganzen Spiel sind doch die, die Euch betrügen. So einfach ist das. Denn die müssen jeden Morgen ihren echten Körper durch die Welt tragen. Bei Mango an der Kasse anstehen um ihre Outfits zu retournieren. Ein Leben vorspielen wie ein endloser Blockbuster. Sie müssen jeden Tag rennen, kochen, schminken und tun und das alles soll so aussehen, als wäre es das echte Leben. Keine Werbung. Warum eigentlich? Warum bitte soll Werbung nicht wie Werbung aussehen? Product Placement gibt’s in jedem Film, aber nie rennt die Schauspielerin mit einem Schild durch das Set wo steht: Achtung Werbung.
Gib den Geschichten ein Chance
Für mich gilt am Ende des Tages: Regel Nummer eins, jedem seins. Wer an Geschichten glaubt, schön, wer nicht an sie glaubt oder glauben will, schaut einfach nicht zu. Wer zuschaut, der weiss, alles eine grosse Bühne, alles ein grosses Spiel, alles eine riesige Kulisse. Und trotzdem werden wir unterhalten, inspiriert, ja, manchmal auch belogen, aber was soll’s, der Spass überwiegt. Und es ist doch auch schön, dass hier jeder etwas ausleben kann, ganz nach seinem Geschmack. Weil niemand eingreift, weil niemand sagt, das geht nicht. Weil alles, was Du möchtest, möglich ist und Du auch sein kannst, wer immer Du magst. Du kannst Dich neu und selbst erfinden. Seltsam wie das Leben einem selbst gehört, wenn man es erfunden hat… Instagram macht es möglich.
Wie im Kino. Let it be.
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! So viele Wahres und Gedankenanregungen. Hat mich sehr inspiriert und ich kann nur allen empfehlen, diesen Artikel ausführlich zu lesen.