Nicola Heyser hat ein Herz erhalten. Der Pferdesport war und ist ihr Leben. Die ehemalige Spitzensportlerin, Spartenreiterin Dressur Schweiz, kämpfte über zehn Jahre gegen die Auswirkungen ihres zu grossen Herzens. Irgendwann war ihr Körper so schwach, dass eine Transplantation die einzige Rettung war. Ihr neues Herz bekam sie 2010 an einem Freitag den 13. Nicola Heyser hat um ihr Leben gekämpft und es geschafft. Eine Erfolgsgeschichte.

Früher bin ich zehn Pferde am Tag geritten. Ich habe jahrelang unglaublich viel kompensiert. Habe Leistungssport betrieben, gefeiert und Nächte durchgemacht. Ab 1998 ging  es mir zunehmend schlechter. Ich war so müde, nahm sogar Aufputschmittel, um mich fitter zu fühlen.  Es war so einen Müdigkeit in mir, ich hatte Angst am Steuer einzuschlafen. Lange dachte ich, alles wäre eine Frage der schlechten Kondition. Ich habe versucht zu joggen, aber nach fünf Minuten war klar, das geht gar nicht. Meine Lunge brannte wie die Hölle. Irgendwann konnte ich nicht einmal mehr die Bettdecke auf meiner Brust ertragen. Ich bekam einfach keine Luft mehr.

Ich habe mit allem gerechnet, nur nicht mit dem Herzen. 1999 bekam ich die Diagnose: Mein Herz war zu gross. Herzinsuffizienz, ich hatte  nicht genügend sauerstoffreiches  Blut im Kreislauf. Die Erkrankung  war schon Jahrzehnte alt, unbemerkt.  Ich bekam Medikamente, auch gegen die bereits manifestierten Folgeschäden meines zu grossen Herzens.

2004 habe ich unter grossem Risiko meine Tochter geboren.  Der Kinderwunsch stand über allem. Als ich den Vater meiner Tochter kennenlernte war unser grösster Wunsch ein gemeinsames Kind. Wir haben das mit dem Kardiologen besprochen. Mein Partner und ich haben gemeinsam entschieden, wir wollen das probieren, mit allen Mitteln. Mir war immer klar, dass ich das Kind jederzeit verlieren könnte oder selber sterben.

Nicola Heyser glücklich mit ihre Tochter Anna-Paula.

Nicola Heyser glücklich mit ihre Tochter Anna-Paula. Foto: Mike Flam.

Nach der Geburt habe ich mich nicht mehr erholt. Die Schwangerschaft hat mein Herz noch mehr geschwächt. 2006 hat man mir Ringe bei den Herzklappen eingesetzt, damit sich mein Herzmuskel erholen kann. Tatsächlich wurde meine Pumpleistung  um 10% verbessert. 2009 bin ich noch die Schweizer Meisterschaft junger Pferde geritten, dann ging es plötzlich rapide schlechter. 2010 bekam ich einen Defibrillator eingesetzt, der im Fall eines plötzlichen Herzversagens dem Herz mit einem Stromschlag einen Impuls gibt, damit es wider schlägt.

Lange dachte ich, es wird alles wieder gut. Aber ich spürte, dass das nicht stimmt. Bei der Abklärung für die Herztransplantation wurde bei mir eine Lungenbiopsie durchgeführt. Die Narkose hat meinem schwachen Herzen sehr geschadet. Meine Lunge konnte sich nicht mehr entfalten und mein Herz hatte nicht die Kraft dagegen zu arbeiten. Phasenweise hatte ich keine Kraft mehr auszuatmen.

Es gab eine Zeit, da dachte ich, ich könnte kein fremdes Organ annehmen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen. Nach der Lungenbiopsie ging es mir so schlecht, da wusste ich, das ist nun meine einzige Chance. Der Überlebensinstinkt setzt ein und man fühlt sich bereit für eine Transplantation.

Das Herz ist unser Leben. Der Gedanke, dass man mir mein eigenes Herz herausnimmt, hat mir Angst gemacht.

Ich habe fünf Monate auf ein Herz gewartet. Die Wartezeit war meine emotional schlimmste Zeit. In der Zeit hatte ich Angst, ich schaffe es vielleicht doch nicht. Ich hatte diese reale Chance vor mir, überleben zu können. Meine grosse Hoffnung. Es war wie ein goldenes Tor, von dem ich hoffte, dass es für mich aufgeht. Aber wenn es aufgeht und Du schaffst es nicht mehr durchzugehen, das war meine Angst.

Nicola Heyser Foto. Mike Flam

Nicola Heyser lebt dank einer Organspende Foto. Mike Flam

Nach der Transplantation ging es mir sehr schlecht. Ich musste wegen Nierenversagen an die Dialyse. Das war eine schlimme Zeit. Die Schmerzen nach der Transplantation waren trotz Schmerzmittel extrem schlimm. Rückblickend kann ich selber nicht glauben, dass ich das alles ausgehalten habe. Damals dachte ich mir, das ich würde ich nie wieder machen.

Das neue Herz hat mich durchgeschüttelt. Vor der Transplantation war mein Blutdruck sehr niedrig gehalten, um das Herz zu entlasten. Dann kam das neue Herz mit voller Leistung und das hat geschlagen wie verrückt. Mein neues Herz hat einen unglaublichen Druck aufgebaut, das waren meine Gefässe gar nicht gewohnt. Ich hatte unglaubliche Kopfschmerzen. Ich konnte kaum mehr sprechen vor Schmerz. Irgendwann hat sich das reguliert.

Mein Medikamentenbedarf hat sich sehr reduziert. Am Anfang habe ich über 30 bis 35 verschiedene Medikamente genommen. Die Pillenboxen waren alle zu klein.

Nebenwirkungen? Wenn man keine andere Wahl hat, ist das kein Thema. Ich habe mich fürs Leben entschieden, deshalb nehme ich das alles. Die Medikamente spüre ich. Ich habe Magenprobleme, Hautkrebs musste ich schon drei Mal entfernen lassen, ich bekomme blaue Flecke bei der kleinsten Berührung. Das Bindegewebe wird schwächer. Ich bekam restless legs, das war schlimm. Ich konnte meine Beine nicht mehr ruhig halten. Dann bekam ich dafür Medikamente und so ging und geht es weiter.

Meine Geschichte ist eine Erfolgsgeschichte. Aber den Preis bezahle ich. Es gibt gewisse Dinge mit denen ich rechnen muss, meine Anfälligkeitsquote für gewisse Krankheiten ist explizit höher.

Nicola Heyser Foto: Mike Flam

Zu Besuch bei Nicola Heyser Foto: Mike Flam

Mein Weg geht weiter. Es gibt Tage, da geht es mir nicht so gut. Ich kann mich nicht mehr so durchbeissen wie früher. Ich habe gelernt zu sagen, das geht jetzt nicht.

Ich habe schon dass Gefühl, dass ich etwas aufholen muss. Ich habe mit meiner Tochter Anna-Paula ganz wenig unternommen. Das bereitet mir ein schlechtes Gewissen. Wenn ich Fotos anschaue, wo meine Tochter kleiner war, habe ich manchmal das Gefühl, ich kann mich gar nicht erinnern. Viele Details unseres gemeinsamen Weges fehlen mir. Manchmal helfen mir Fotos mich wieder zu erinnern. Vor der Transplantation habe ich etwas gelesen und es sofort vergessen. Ich denke das liegt an den Medikamenten oder dem konstanten Sauerstoffmangel. Seit der Transplantation bin ich geistig wieder voll da. Ich habe wieder eine Ausbildung abgeschlossen, Trainerin für Leistungs- und Spitzensport.

Der Tod war für mich keine Alternative. Nur das Schaffen. In der ganzen Zeit meiner Krankheit habe ich mir oft gedacht, das ist nicht mein Film, der da eben abläuft. Für mich war klar, ich werde leben. Was mir hilft ist meine Stärke. Meine Mutter sagt, was sollen wir uns beklagen? Wenn es uns gut geht, fragen wir uns ja auch nicht warum gerade wir?

Ich empfinde eine grosse Dankbarkeit. Das Leben ist ein Riesengeschenk. Zu Beginn überlegt man viel, es holt Dich immer wieder ein, aber die schönen Zeiten überwiegen.

Ich hadere nicht mit meinem Schicksal. Manchmal macht es mich nachdenklich. Heute würde ich mich als lebensfrohen glücklichen Menschen bezeichnen mit grosser Dankbarkeit.

Meine persönliche Meinung zur Organspende: Wenn man selber ein Organ annehmen würde, sollte man auch Organe geben.

Ich finde legitim, dass die Leute den Gedanken selber Spender zu sein wegschieben. Darüber habe auch ich früher nicht nachgedacht. Ich möchte den Leuten sagen, dass es schwierig ist zu entscheiden, wenn man nicht diese Existenzängste spürt. Das Gefühl, wenn es um Dein Leben geht, ist unbeschreiblich. Die Wartezeit fast unerträglich. Vielleicht hilft es, das Ganze ohne Emotionen zu betrachten. In dem Sinne, wenn ich sterbe werde ich begraben oder verbrannt. Möglicherweise kann man so die Entscheidung zur Organspende treffen, ein Stück von sich zu geben.

Es ist schwierig Leute gegenüber einer Lebendspende zu öffnen. Die Spendenbereitschaft ist nicht gross, darüber mache ich mir oft Gedanken. Kein Mensch kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn es ums pure Überleben geht. Ich hatte einen Punkt erreicht, da habe ich an nichts mehr gedacht, sondern nur mehr daran, überleben zu können. Ich wollte um jeden Preis leben.

Nicola Heyser

Nicola Heyser Foto: Mike Flam

Infos:

www.swisstransplant.org

www.transplant.info

 

 

2 Kommentare
  1. Annette Lenzen
    Annette Lenzen sagte:

    das ist wriklich ein toller Artikel und da ich mit Nico persönlich befreundet bin, sie aber lange aus den Augen verloren hatte, bis ich sie auf facebook widerfand, berührt mich das umso mehr.
    Gerne würde auch ich ihnen meine Geschichte erzählen, wenn sie mögen, Es geht um Depressionen, Holzschutzmittelvergiftung, Betrug und Verlust des gsamten Vermögens und wie ich mit über 50 noch mal ganz von vorne anfange mit dem was ich wirklich liebe. Das ererbte Leid von Menschen auflösen durch die Ahnenarbeit. Mehr dazu unter www. Annette-Lenzen.de
    Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören.

    Antworten
  2. Inga
    Inga sagte:

    Ein schönes Interview und eine tolle, starke Frau. Ich kenne Nicola aus meiner Kinder- und Teenagerzeit. Wir haben viel erlebt und Blödsinn gemacht. Natürlich waren Pferde (Ponys) unser Schwerpunkt. Bereits damals habe ich immer zu Nico aufgeschaut und sie bewundert. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Ich wünsche ihr von Herzen weiterhin viel Kraft, Lebensfreude und Gesundheit.

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