Das Aufhören für eine Primaballerina oder Tänzerin ist immer schmerzlich. Aber man muss realistisch sein, der Körper spielt ab einem gewissen Alter nicht mehr mit. Dem Karriereende sollte man ins Auge blicken, dem kann man sich nicht verschliessen. Man bereitet sich sehr intensiv auf eine Tänzerkarriere vor, solange man tanzt, ist man völlig mit dem Tanzen beschäftigt. Man macht sich wenig Gedanken, wie es danach weitergeht.

Ich habe auf nichts verzichten müssen. Für mich war die Ausbildung keine Zeit des Verzichtes, weil der Tanz meine Passion war. Ich konnte mir nie etwas Anderes vorstellen, ich habe auch nie an meiner Entscheidung gezweifelt. Mit gutem Gewissen kann ich sagen, ich hatte eine schöne Kindheit und Jugend. Aber ich musste mich diesem Beruf und den Ansprüchen der Lehrer und Choreographen absolut unterwerfen. Es braucht Ehrfurcht, um zu sehr guten Leistungen zu kommen und um so zu werden, wie die ganz Grossen.

Für eine Frau ist es wichtig ein Kind zu bekommen. Auch für eine Ballerina. Es gibt Tänzerinnen, die lehnen Kinder ab, weil sie fürchten, nach den Kindern nicht mehr so in Form zu kommen. Ich konnte problemlos ein Kind bekommen. Bis zum vierten  Monat habe ich getanzt und auch gleich nach der Geburt wieder begonnen. Meine persönliche Meinung ist: als Tänzerin verliert man mit einem Kind nichts, als Frau gewinnt man dazu.

Steffi Scherzer Tanz Akademie Zürich Foto: Mike Flam

Steffi Scherzer Tanz Akademie Zürich Foto: Mike Flam

Ich hatte grosses Glück, ich konnte bis weit über Vierzig tanzen.  Das ist aber selten, die meisten Tänzer hören vor Vierzig auf, Männer meistens früher. Frauen tanzen länger oder besser formuliert, sind im Stande länger zu tanzen. Mit dem Tanz beginnt man sehr früh und hört auch wieder früh auf. Ich bedaure es heute von Fünfundzwanzigjährigen zu hören: Ich bin alt. Viele überlegen bereits mit dreissig wieder aufzuhören. Das ist sehr früh, zu früh.

Das Älterwerden muss man akzeptieren, aber es ist nicht einfach. Als Tänzer sieht man sich immer im Spiegel, beobachtet sich, korrigiert sich – da ist älter werden nicht so einfach. Man ist nicht mehr so schlank, man ist nicht mehr so schön, dann kommen die Falten, eben alles was dazu gehört. Ich habe gelernt das zu akzeptieren. Meine Schüler zu trainieren, zu sehen wie sie sich entwickeln, das ist sehr schön für mich. Meine Karriere ist vorbei, aber ich habe die Möglichkeit bekommen, meine Erfahrungen weiter zu geben. Das macht mich glücklich.

Ich bin noch ziemlich fit. Natürlich kann nicht mehr so tanzen wie früher, aber ich kann mich noch sehr gut bewegen. Es sieht einfach nicht mehr so graziös aus. Das Gefühl für den Tanz und die Bewegung ist noch da, nur der Körper nicht mehr. Ich zeige Übungen vor, allerdings nicht mehr mit der gleichen Perfektion, die ich einmal hatte.

Steffi Scherzer, Leiterin der Tanz Akademie Zürich, beim Spitzentraining mit ihren Schülern. Foto: Mike Flam

Steffi Scherzer, Leiterin der Tanz Akademie Zürich, beim Spitzentraining mit ihren Schülern. Foto: Mike Flam

Was mich antreibt ist die Passion. Mein Leben ist getragen von dieser Liebe, dieser Leidenschaft für den Tanz. Ich denke, das ist angeboren, das liegt im Blut.

Es gibt für mich nichts Schöneres als ein klassisch geschultes Tänzerbein. Ein über Jahre geschulter Tänzerköper ist ein ästhetischer Hochgenuss.

Einmal Tänzer, immer Tänzer. Loszulassen ist nicht so einfach. Wir denken immer als Tänzer,  das bleibt. Die Kinderjahre sind die wichtigsten Jahre, sei prägen. Du bist und bleibst Tänzer für ein ganzes Leben.

Ballett ist eine Reise, wo man nie genau weiss, wohin sie führt. Ich für mich persönlich kann sagen: Tänzer zu sein ist ein wunderschöner Beruf. Ich würde es genauso wieder machen.

Steffi Scherzer über ihr Leben als Tänzerin Foto: Mike Flam

Steffi Scherzer über ihr Leben als Tänzerin
Foto: Mike Flam

Steffi Scherzer ist Dozentin Klassischer Tanz, Spitzentanz, Klassisches Repertoire.

Steffi Scherzer besuchte die 7-jährige Ausbildung an der Staatliche Ballettschule Berlin/Deutschland mit anschliessendem Engagement an die Deutschen Staatsoper Berlin. 1984 wurde sie zur Primaballerina ernannt.

Sie tanzte die Hauptrollen in allen bedeutenden klassischen wie neoklassischen Balletten. Dafür erhielt sie zahlreiche internationale Preise und Auszeichnungen sowie Kunst- und Kritikerpreise. Auslandgastspiele führten sie auf Bühnen der ganzen Welt. Sie arbeitete mit bedeutenden Choreographen wie Rudolf Nurejev, Patrice Bart, Maurice Béjart, William Forsythe, Pierre Lacotte, Roland Petit und Uwe Scholz u.a., zusammen. Steffi Scherzer ist Ehrenmitglied der Deutschen Staatsoper Berlin und zählt zu den herausragendsten klassischen deutschen Ballerinen. Studenten, die von Steffi Scherzer vorbereitet wurden, errangen vordere Plätze und Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben. Informationen: www.tanzakademie.ch

 

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